Rezension zu "Unsere Vögel" von Peter Berthold

Cover von "Unsere Vögel" von Peter Berthold
Peter Berthold kennt sich aus - mit Vögeln, mit Naturschutz. Und er ist ein Macher mit klaren Worten. Davon zeugt sein Sachbuch "Unsere Vögel. Warum wir sie brauchen und wie wir sie schützen können", das 2017 im Ullstein Verlag erschienen ist.
Peter Berthold ist kein Unbekannter. Als Vogelkundler war er Professor für Biologie an der Universität Konstanz und Leiter der Vogelwarte Radolfzell. Er ist einer der wenigen Wissenschaftler, die ihre Erkenntnisse in die allgemeine Praxis transportieren konnte, der die Menschen mit klaren Worten erreicht. So findet man Interviews mit ihm in der Presse und im Fernsehen. Zudem propagiert er seit Jahren die ganzjährige Vogelfütterung, die sich langsam durchsetzt.

In seinem Sachbuch "Unsere Vögel" läßt uns Peter Berthold nicht nur an der Faszination Vogel teilnehmen, nein, er zeigt uns eindringlich die Lebenssituation der Vögel heute auf, ihre Gefährdung durch mangelnde Brut-und Lebensräume und drastischer Einbrüche in ihrer Nahrungsversorgung mit Sämereien, Beeren und Insekten. In vier großen Kapiteln geht er das Thema eindringlich an. Den größten Umfang nimmt der erste Kapitel über Vogelschwund und Artensterben ein. Auf mehr als 150 Seiten zeigt er auf, daß zum einen in den letzten 150 Jahren bis zu 80 % der Vögel über die Bandbreite hier heimischer Vogelarten verschwunden sind. Es droht der "stumme Frühling". Er untermautert seine Aussagen mit Erkenntnissen aus verschiedenen Studien, aus seiner eigenen Arbeit als Ornithologe, speziell als Leiter der Vogelwarte Radolfzell. Er geht dabei sehr differenziert vor: die Situation bei den einzelnen Arten, in der Lokalisation Land und Stadt und zeigt die Gründe (Zerstörung der Lebensräume, des Nahrungsangebotes) auf. Dabei läßt er auch die historische Entwicklung seit 1800 nicht aus dem Auge. Er findet dabei klare, eindringliche Worte, bleibt schonungslos und differentiert in seinen Aussagen. Hier erkennt man zum einen den Wissenschaftler mit seinem Kenntnisreichtum, zum anderen den leidenschaftlichen Vogelkenner und -schützer, der ein Herzensanliegen - nämlich den Naturschutz im Allgemeinen, den Vogelschutz im speziellen - bearbeitet.
Berthold ist aber auch Pragmatiker. Dies zeigt sich im zweiten Hauptkapitel über seine Initiative "Jeder Gemeinde ihr Biotop", die jetzt 2018 an Fahrt gewinnen soll. Er stellt ausführlich sein neues Naturschutzkonzept vor, das realistisch, am machbaren und dennoch nicht unwirksam ist. Jede Gemeinde soll in ihrem Flurstück ein Biotop für Pflanzen, Tiere und natürlich die Vögel schaffen. Ein Stück, in dem die Natur walten kann, zugleich aber auch Beobachtungsraum für interessierte Naturfreunde und mit viel Rücksicht auch Erholungsgebiet ist. Wie dies praktisch umgesetzt werden kann, zeigt Berthold an seinem Projekt des Biotopverbundes Bodensee mit dem Heinz-Sielmann-Weiher. Berthold gibt viele praktische Hinweise, erläutert den groben Faden seines Naturschutzkonzeptes so gut, daß Interessierte hier die ersten Bausteine zum Nachmachen finden.
Diese Initiative ist natürlich ein Großprojekt. Daß auch jeder einzelne viel für die Vögel tun kann, zeigt Berthold im dritten Kapitel. Es geht um Nisthilfen, um einen naturnahen Garten, ums ganzjährige Vogelfüttern. Es wechselt zwischen praktischen Tipps und lebensphilosophischen Ansätzen. Ein wenig durchwachsen ist so das Kapitel, Berthold eiert manchmal herum - konkrete Anweisung zur Vogelfütterung steht seine Einstellung zu NABU gegenüber, die er bei allem Konsens auch kritisch begegnet. Berthold will pragmatisch viel erreichen, kritisiert so manchen Dogmatismus von Ortsgruppen.
Das letzte, vierte Kapitel über das Leben der Vögel und die Schönheit der Natur ist stark biographisch gezeichnet. Berthold nimmt uns für einen Tag an den Heinz-Sielmann-Weiher, seinem Herzensprojekt, mit. Er erzählt von seinem naturnahen Garten und von seiner Liebe zum braunen Storchschnabel. Da geht es nicht mehr nur um Vögel, sondern um die Liebe zur Natur. Mag das Kapitel somit teilweise sehr aus dem thematischen Rahmen des Buches fallen, überzeugt es durch seinen warmen Ton um so mehr.
Peter Berthold ist mit seinem Sachbuch "Unsere Vögel" eine eindrückliche Warnschrift gelungen, daß über Jahrzehnte hinweg es unseren Vögeln immer schlechter geht. Es ist wahrlich - sieht man sich die Zahlen an - Fünf vor Zwölf. Die Vögel brauchen mehr Aufmerksamkeit, mehr Schutz. Denn nach diesem Buch setzt man sich draußen in den Garten oder Park und hört genauer hin. Und man merkt, es ist tatsächlicher ruhiger geworden. Warum es so ist und wieviel wir noch tun können, zeigt Peter Berthold mit seinem Buch. Mag es viele Menschen erreichen, denn seine Stärke liegt auch im Pragmatismus und der Leidenschaft!
Peter Berthold: Unsere Vögel. Warum wir sie brauchen und wie wir sie schützen können
Ullstein Verlag, Berlin 2017
ISBN: 978-3550081224
Ausstattung: 336 Seiten, Hardcover, mit Fotos
Preis: 24 €

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Kommentare

  1. Das stimmt, es ist ruhiger geworden. Ob das an der Verschlechterung der Habitate in meiner Stadt liegt oder an den Überwinterungsquartieren in Afrika, mag ich bei manchen Arten wie dem Sumpfrohrsänger nicht einschätzen. Bei der Nachtigall ist es sicher auch die Rodung von Gebüschen hier. Aber die kann ich nicht mit Vogelfutter unterstützen. Ich denke, man muss spenden, um Biotope zu erhalten, und die Arten füttern, die das Futter annehmen.
    VG
    Elke

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  2. Berthold schaut in erster Linie hier auf die Veränderungen in der Natur. Ich fand es sehr nachvollziehbar, als er das Beispiel mit der Windschutzscheibe bringt. Ich erinnere mich selber, daß als Kind bei Autofahrten die Autoscheibe von Insekten verklebt war, heute nach vielen, vielen, vielen Kilometern. Auch höre ich auf Feldern viel weniger Lerchen. Ich denke und er belegt es mit vielen Studien im Buch, daß seine Aussagen stimmen.

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